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Eingebaute Torgarantie

Als die Rüsselsheim Royals das Licht der Welt erblickten, war Janik Schwedler noch ein Knirps, der seine Tage im Kindergarten verlebte. Mittlerweile ist er Mitte zwanzig — und hat sich trotz seines jugendlichen Alters einen Platz in der Hall of Fame verdient.

Rüsselsheim Royals Janik Schwedler
Ab geht er: Janik Schwedler ist einer der torgefährlichsten Rüsselsheimer Inlinehockey-Spieler.

2008 war ein besonderes Jahr für die Rüsselsheim Royals. Sportlich gesehen lag das Team im Soll, schaffte es als amtierender HIHL-Meister bis ins Finale, wo die Titelverteidigung allerdings knapp verfehlt wurde. Dennoch bleibt diese Zeit unvergessen. Schließlich betrat in jenem Sommer ein Spieler den Rüsselsheimer Hockeyplatz, der sich binnen weniger Jahre zu einer fast schon unverzichtbaren Säule des Teams entwickeln sollte. Die Rede ist von keinem Geringeren als Janik Schwedler.

 

Schwedler kam im zarten Alter von sechzehn Jahren an den Sommerdamm. Ex-Keeper Bernd Gollan brachte ihn eines Tages mit zum Training. Ein Teenager, der ziemlich unbeholfen auf den Skates unterwegs war und freilich noch nicht allzu viel von der Sportart Inlinehockey verstand, aber sogleich mit viel Herzblut loslegte und seine Leistung rasant steigern sollte. Heute, fast zehn Jahre später, ist er Kapitän, Trainer und Meinungsführer in einer Person.

 

Talent direkt erkannt

 

Dieser kometenhafte Aufstieg ist das Ergebnis harter Arbeit, die ihren Anfang damit nahm, dass Schwedler mit offenen Armen von seiner neuen Mannschaft empfangen wurde. Seine Teamkollegen standen ihm von Anfang an mit Rat und Tat zur Seite. Das ist nicht verwunderlich. Schließlich musste man schon blind sein, um nicht auf Anhieb zu erkennen, dass in dem jungen Mann großes Talent

schlummerte.

 

Das entging auch einem der besten Royals-Spieler nicht: Verteidiger Hendrik Fichtner legte sich mächtig ins Zeug, um dem Stürmer die ersten Gehversuche zu erleichtern, brachte Schwedler die Abläufe bei, feilte mit ihm am Stellungsspiel und beantwortete geduldig sämtliche Fragen des Rookies.

 

»Janik kam zu uns und hat sich sofort eingebracht und dem Team untergeordnet. Durch harte Arbeit auf dem Platz hat er sich mittlerweile Ansehen und Respekt im Team und in der Liga verschafft. Das verdient er auch. Seine Entwicklung ist grandios und sollte Motivation für alle Jungspunde, aber auch für etablierte Spieler sein. Bei ihm zeigt sich, dass sich die Qualen im Training auszahlen«, lobt Fichtner seinen Schützling. Wer die beiden heute erlebt, erkennt sofort, dass sie ein ganz besonderes Verhältnis zueinander pflegen. Ziehsohn, nennt Fichtner den aktuellen Royals-Kapitän, der wiederum das Wort «(Hockey)-Daddy» gebraucht, wenn er über seinen Mentor spricht.


Zwischen diesen beiden Bildern liegen mittlerweile fast zehn Jahre: Janik Schwedler mit gerade einmal sechzehn Lenzen auf der linken Seite. Heute trägt er gerne einen Bart.



Innerhalb der Mannschaft zählte Schwedler schnell zu den beliebtesten Spielern. Die «Nummer 11» war schon nach wenigen Monaten Teil des harten Kerns. Auch abseits des Hockeyplatzes war er stets mit von der Partie, wenn es etwas zu feiern gab. Hier musste er allerdings durch eine harte Schule gehen. Krzysztof Bielski lotete beim Hooters-Cup 2008 in Mannheim die Trinkfestigkeit des Jungspunds aus, unterzog ihn einer Bier-Eichung und entließ Schwedler erst, als das Maß voll war, oder anders gesagt, als sein Trinkpartner kaum noch stehen konnte. Danach war der Teenager endgültig ein Royal — und das ist er bis heute geblieben. Mag sein, dass das seinem Vater nur bedingt zusagte. Mehrere Male musste er seinen Zögling nach einer durchzechten Nacht vom Trainingsgelände evakuieren und ihn sogar von dort aus zur Schule kutschieren. Der Junge wusste eben, dass die Party erst vorüber ist, wenn das letzte Bier ausgetrunken war. Blöderweise gab es diesen Umstand in Rüsselsheim nur selten.

 

Ein Lenker

 

Auf dem Hockeyplatz lässt er es gleichermaßen krachen. Wer ihm beim Spielen beobachtet, sieht einen Crack, der so ziemlich mit allen Wassern gewaschen ist. Vor dem Tor liebt er den One-Timer, steht oft mit erhobenen Schläger am langen Pfosten und wartet auf den tödlichen Pass. Doch er ist nicht nur Vollstrecker. Seine Stärken hat er vor allem im Aufbauspiel, bei eigenem Puckbesitz lässt er sich gerne zurückfallen, um das Spiel zu lenken. Bietet sich ihm die Möglichkeit, stürmt er mit Vollgas in die gegnerische Hälfte, wo er entweder direkt vor das Tor zieht oder einen besser postierten Mitspieler bedient. Gibt es keine Anspielstation, dreht er auch mal ab, fährt zurück in die eigene Hälfte, um kurz darauf einen neuerlichen Vorstoß zu starten. Hauruck-Hockey ist eben nicht sein Ding. Kontrollierte Offensive lautet seine Philosophie. Vermeidbare Scheibenverluste können ihn regelrecht zur Weißglut bringen. Übersicht ist eben alles.

 

Kein Wunder, dass er in den vergangenen Jahren stets zu den teaminternen Top-Scorern zählte. Mit Tim Bornhausen hat er den passenden Stürmer an die Seite gestellt bekommen, mit dem er sich mittlerweile nahezu blind versteht. »Manchmal sind wir selbst überrascht, was alles gelingen kann, wenn wir gemeinsam loslegen«, erzählt Bornhausen und vergisst dabei nicht zu erwähnen, dass die beiden Stürmer vor mehreren Jahren einmal binnen zwölf Sekunden mit einem einstudierten Bully-Trick gleich doppelt trafen. Wenn die beiden einen guten Tag haben, ist es um die gegnerische Abwehr nicht gut bestellt. Dann fallen Tore wie am Fließband. Dabei zuzusehen, macht große Freude. Da merkt man sofort, dass auf dem Spielfeld zwei Schlitzohre gemeinsam wirbeln, die sich praktisch blind verstehen und oftmals den Unterschied ausmachen, wenn es brenzlig wird. »Wenn man bedenkt, dass Janik erst relativ spät mit Hockey begonnen hat, ist er einer der talentiertesten Spieler, die ich kenne. Ein Hardcore-Sniper«, beschreibt Bornhausen seinen Mannschaftskameraden mit einem Grinsen im Gesicht.

 

Schwedlers Stimme hat Gewicht

 

Und doch glaubt man manchmal kaum, wie schnell die Zeit vergeht. Aus dem milchgesichtigen Jungen ist ein echter Typ geworden. Einer, der auch vor unbequemen Entscheidungen nicht zurückweicht, der seine Meinung klar vertritt und dessen Stimme daher großes Gewicht in der Kabine hat. Für all diese Eigenschaften wurde er mit dem Kapitänsamt belohnt. Ein Vertrauensbeweis, der aufgrund seiner Jugend nicht selbstverständlich ist. In der Royals-Historie bekleideten stets emotionale Typen dieses Amt. Leute, die sich für den Verein den Allerwertesten aufrissen, die auf dem Platz wie Berserker kämpften und ein Spiel erst verloren gaben, wenn die Schlusssirene ertönte — und Schwedler ist exakt aus diesem Holz geschnitzt. Daher war es die logische Konsequenz, ihm das «C» auf die Brust zu kleben. Das sehen auch die Veteranen im Team so: »Trotz seines Alters ist er als Kapitän voll akzeptiert. Auch einige ältere Spieler sehen ihn als Vorbild, weil er sich in jeden Zweikampf reinhaut und auf dem Feld immer alles gibt», sagt Lutz Teisler über Schwedler.

 

Aber er kann sich auch aufregen, wenn irgendetwas nicht nach Plan läuft. Lassen seine Teamkollegen im Training die Zügel schleifen, wird er richtig laut. Da fordert er mit bester Exerzierplatz-Stimme Leistung ein und legt den Finger in die Wunde, sich selbst nimmt er dabei ebenfalls in die Pflicht. Das Traineramt ist eben eine Verpflichtung, die nicht nur aus Champagner-Feten besteht. Manchmal muss auch die Peitsche ausgepackt werden. Gleiches gilt für Pflichtspiele. Da kann er regelrecht grantig dreinblicken, wenn ihm der Auftritt des Teams nicht zusagt. Da heißt es dann in Deckung gehen, wenn der Schwedler-Vulkan heiße Asche spuckt. Zumeist ist der Ärger jedoch wenige Minuten später verpufft.

 

Titel sollen her

 

All das klingt fast schon so, als würde man über einen Spieler berichten, der sich auf dem Zenit seiner Schaffenskraft befindet. Bei Schwedler ist das noch nicht der Fall. Seine Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. Wie auch in diesem Alter? Erst kürzlich sagte er in einem Interview mit der Rüsselsheimer Presseabteilung, dass ihm in vielen Dingen noch die Erfahrung fehlt. Er lerne noch heute von seinem Zieh-Vater Fichtner, diktierte er Pressewart Stefan Swoboda in den Notizblock. Das macht ihn schon ziemlich sympathisch. Warum? Ganz einfach. Weil man es ihm einfach abnimmt — und er es eigentlich nicht mehr notwendig hat, sich demütig zu verhalten. Schließlich hat er mit den Royals schon einiges erreicht. Bislang finden sich zwei Meisterschaften in seiner Vita. Die Zielsetzung ist klar: Weitere Titel sollen her. Dafür ackert er in jedem Training, gibt alles für das Team, das ihm über die Jahre so sehr ans Herz gewachsen ist.

 

Das sieht man bei ihm mittlerweile auf den ersten Blick. Seine Liebe zum Verein trägt er täglich mit sich herum. Auf seiner Wade prangt seit 2016 ein Tattoo, auf dem er die Begeisterung für seine beiden Lieblingssportarten verewigen ließ: Dabei handelt es sich um einen Volleyball, dem die originale Royals-Krone aufgesetzt wurde. Im Inlinehockey kommt für ihn kein anderer Verein in Frage, sagte er neulich, als er von einem Teamkollegen auf seine Tätowierung angesprochen wurde.

 

Und so wird Schwedlers Hockeyreise sich hoffentlich noch viele Jahre fortsetzen. Schließlich befindet er sich noch nicht einmal in der Mitte seiner aktiven sportlichen Laufbahn. Daher ist es schon faszinierend, welch hohen Stellenwert er sich in dieser kurzen Zeit erarbeitet hat. In der Royals-Chronik hat er schon jetzt einen festen Platz inne. Willkommen in der Hall of Fame, Junior!


Janik Schwedlers Fotoalbum



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